50 Jahre Eiszeit - Plötzlich Tauwetter?
Johannes | Philipp | Daniel
Johannes | Philipp | Daniel
Seit über 50 Jahren sind die kubanische Planwirtschaft und
die benachbarte US-amerikanische Marktwirtschaft durch ein umfangreiches
Embargo von Seiten der USA getrennt. Zuletzt mehrten sich jedoch die Hinweise
auf eine ernsthafte Annäherung der ehemaligen Erzfeinde. Der historische
Handschlag zwischen den Präsidenten Raul Castro und Barack Obama auf dem
Amerika-Gipfel in Panama im April 2015 stellte dabei den einstweiligen
Höhepunkt dar. Um der Frage nachzugehen, warum es gerade jetzt zur dieser
Annäherung kommt, beleuchtet der folgende Artikel die Situation rund um das
Embargo aus verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen: Wie entstand der
politische Wille ein Embargo gegen Kuba zu installieren? Wie wurde es rechtlich
ausgestaltet? Und welche Auswirkungen hatte es auf die kubanische
Volkswirtschaft?
Historische Beziehungen
Kuba rief
im Jahr 1898 die Unabhängigkeit aus, nachdem Spanien im Spanisch-Amerikanischen
Krieg besiegt worden war. Durch die Monroe Doctrine beeinflusst betrachteten die Vereinigten Staaten Latein Amerika und dabei besonders Kuba
als ihren „backyard“, in welchem sie Einfluss ausüben möchten. Der Sturz des
pro-amerikanischen kubanischen Diktators Batista durch Fidel Castro und seine
Rebellen 1959 verbesserte die Beziehungen deshalb nicht. Als es unter Castros
Regierung zu einer Annäherung an die Sowjetunion kam und amerikanische Firmen
in Kuba enteignet wurden, entschied sich die US-Administration, erste
Sanktionen zu verhängen. Diese wurden graduell über die Jahre verschärft und
auch wieder gelockert, je nach aktuellem Stand der Beziehungen. Der
fehlgeschlagenen Invasion in der „Schweinebucht“ 1961 folgte der Abbruch
diplomatischer Beziehungen. Mit der Kubakrise 1962 erreichten die Beziehungen
einen historischen Tiefstand im Kalten Krieg.
1982 wurde Kuba von den Vereinigten Staaten auf
die Liste „state sponsors of terrorism“ gesetzt, wegen der Unterstützung der
FARC-Rebellen in Kolumbien sowie der ETA-Rebellen in Spanien. Durch diese
Sanktionen konnten amerikanische Unternehmen keine Geschäfte mit kubanischen
Partnern eingehen und kubanische Diplomaten keine Konten eröffnen. 1992 wurde
der Cuban Democracy Act
verabschiedet, welcher besagt, dass die amerikanische Regierung das Embargo
solange nicht aufheben darf, bis sich in Kuba eine Demokratie etabliert hätte.
Der Helms-Burton Act wurde 1996 als
Reaktion auf dem Abschuss eines humanitären Flugzeugs verabschiedet und
verbietet allen Firmen welche in den USA aktiv sind, den Handel mit Kuba.
Doch was waren letztendlich
die Ziele des Embargos? Zunächst war das Embargo darauf ausgelegt, die
kubanische Wirtschaft in einem solchen Maß zu schwächen, dass es zu einem
Aufstand gegen die Castro-Regierung kommen würde. Später wurde auch noch die
Demokratisierung Kubas in Gesetzten als Ziel des Embargos genannt.
Verbesserte Beziehungen? Castro und Chrustschow |
Rechtliche Ausgestaltung des Embargos
Das Embargo der
Vereinigten Staaten gegen Kuba besteht aus einer Vielzahl verschiedener
Gesetzen und Verordnungen, die in den 50 Jahren immer wieder
modifiziert und weiterentwickelt wurden. 1962 erließ Präsident Kennedy einen
Executive Order (präsidentielles Dekret), infolgedessen das Embargo gegen Kuba
offiziell in Kraft trat. Im Jahr zuvor verabschiedete der US-Kongress den
„Foreign Assistance Act“, welcher den
Präsidenten dazu ermächtigt unabhängig ein Handelsembargo gegen Kuba zu
verhängen.
Kennedy stützte sich bei der Verabschiedung der wirtschaftlichen
Sanktionen weiterhin auf den „Trading with the Enemy Act“ von 1917, ein US-Gesetz,
das es US-Bürgern verbietet Geschäfte mit Unternehmen zu machen, falls diese zu
den politischen Feindstaaten der USA gehören. Gemäß diesem Gesetz
erließ die US-Regierung 1963 die „Cuban Assets Control Regulations“
(CACR). Die CACR stellen nach wie vor den allergrößten Teil des Embargos gegen
Kuba dar. 1963 wurden weitere Reisbeschränkungen verabschiedet. Reiselizensen
dürfen nur an US-Bürger verteilt werden, die als Journalisten, Professoren,
Forscher, oder Lehrer in Kuba arbeiten, sowie an enge Verwandte von Kubanern.
Foreign Assistance Act (1961) |
Trading with the Enemy Act (1917) |
Das Embargo aus völkerrechtlicher Sicht
Wirtschaftssanktionen sind völkerrechtliche Zwangsmaßnahmen. Sie sind angesichts des allgemeinen völkerrechtlichen Gewaltverbots und der allgemeinen Sanktionswirkung des völkerrechtlichen Repressalienrechts überhaupt die einzigen wirksamen und gleichzeitig rechtmäßigen Möglichkeiten einer Einflußnahme auf das Verhalten anderer Staaten. Damit müssen sie sich jedoch, wenn sie nicht vom Sicherheitsrat nach Art. 41 UNC ausdrücklich autorisiert wurden, sowohl am Gewaltverbot messen lassen, als auch am Interventionsverbot des Völkergewohnheitsrechts.
Der explizite Begriff der wirtschaftlichen Sanktionen ist in der Charta der Vereinten Nationen nicht zu finden. Legitimiert werden sie aber mit Hilfe des Art. 41 in Kapitel VII: „Der Sicherheitsrat kann beschließen, welche Maßnahmen – unter Ausschluss von Waffengewalt – zu ergreifen sind, um seinen Beschlüssen Wirksamkeit zu verleihen, er kann die Mitglieder der Vereinten Nationen auffordern, diese Maßnahmen durchzuführen. Sie können die vollständige oder teilweise Unterbrechung der Wirtschaftsbeziehungen, des Eisenbahn-, See- und Luftverkehrs, der Post-, Telegraphen- und Funkverbindungen sowie sonstiger Verkehrsmöglichkeiten und den Abbruch der diplomatischen Beziehungen einschließen.“ Zur Anwendung des Art. 41 kommt es, nachdem der Sicherheitsrat, wie in Art. 39 vorgesehen, „eine Bedrohung oder ein Bruch des Friedens oder eine Angriffshandlung“ feststellt, durch die er sich gezwungen sieht Maßnahmen zu treffen, „um den Weltfrieden und die internationale Sicherheit zu wahren oder wiederherzustellen.“ Der zuvor genannte Mechanismus gilt aber für kollektiv getragene Sanktionsmaßnahmen, die von UN-Sicherheitsrat verabschiedet wurden sind. Die unilateralen Sanktionen der USA stützen sich aber auf keinen Beschluss des Sicherheitsrates oder andere völkerrechtliche Normen, sondern auf innerstaatliche Gesetzgebung. Überdies wurden die wirtschaftliche Sanktionen zuerst als politische Gegenreaktion verbschiedet und später schließlich als Druckmittel eingesetzt, um einen politischen Wandel auf Kuba zu erzwingen, was als ein Verstoß gegen das Interventionsverbot gewertet werden kann.
1992 wurde das US-Embargo durch den „Cuban
Democracy Act“ erneuert und ausgeweitet. Es verbietet US-Tochtergesellschaften,
die in Drittstaaten angesiedelt sind, den Handel mit Kuba, obwohl diese
außerhalb der US-Jurisdiktion liegen. Der Präsident wurde durch das Gesetz ermächtigt, fremde Staaten mit einer Verweigerung von Leistungen nachdem „Foreign Assistance Act“ zu bestrafen. Schiffen, welche am Handelsverkehr mit Kuba teilnahmen, wurde das Anlaufen amerikanischer Häfen untersagt. Adressaten waren wiederum „United States persons“ wobei jedoch nur in den USA gegründete Unternehmen erfasst wurden. Weil aber insoweit die Jurisdiktion territorial war, ergab sich unter diesem Gesichtspunkt völkerrechtlich kein Problem. Jedoch wurden auch bestimmte Transaktionen zwischen „United States firms“ und Kuba untersagt. Adressaten waren wiederum ausländische Firmen, welche von „United States persons“ oder von in den USA gegründeten Firmen kontrolliert wurden, soweit es um Transaktionen ging, welche nach dem Inkrafttreten des Gesetzes vereinbart wurden. Kanada und Großbritannien erließen daraufhin als Gegenreaktion auf den „Cuban Democracy Act“ Anordnungen im Rahmen ihrer eigenen Schutzgesetze.
Anfangs wurden die USA noch von vielen westliche Staaten unterstützt, doch dies änderte sich im Laufe der 1990er-Jahre. 1996 verabschiedete der US-Kongress den „Helms-Burton-Act“. Das Gesetz ermöglicht es den USA immense Schadensersatzforderungen an ausländisches Firmen zu stellen, die mit ehemals enteigneten US-amerikanischen Firmen auf Kuba handeln. Es enthält unter anderem auch die umstrittenen Titel III und IV, durch die das amerikanische Embargo und Investitionsverbot indirekt auf Drittstaaten ausgedehnt wird. Erreicht wird dies vor allem durch eine zivilrechtliche Schadenersatzpflicht der ausländischen Investoren, die im weitesten Sinne Nutzen aus enteigneten amerikanischen Gütern ziehen. Das Gesetz spricht von „Trafficking“, das sehr weit definiert ist und sogar jeden Nutzen aus und jedes Engagement in enteigneten Gütern betrifft. Dies kommt einem Investitionsverbot in enteignete Güter gleich.
Allerdings wird ganz offen gesagt, das die im verhängten Embargomaßnahmen „Helms-Burton-Act“ letztlich einem höheren Ziel dienen, nämlich: „to bring democratic institutions to Cuba through the pressure of a general economic embargo at a time when the Castro regime has proven to be vulnerable to international economic pressure.“ (Sec. 301 6 (A)). Es wird auch genau festgelegt in welchen Schritten die Sanktionen wieder aufgehoben werden - mit Amtsübernahme durch eine Übergangsregierung und dann, wenn endgültig eine demokratische kubanische Regierung installiert ist. Wie solche Regierungen auszusehen haben, damit sie von den USA akzeptiert werden, wird ebenfalls detailliert beschrieben, einschließlich der Forderung nach einem marktorientierten Wirtschaftssystem. Die Enteignungen von US-Bürgern in Kuba nach dem 1. Januar 1959 werden als rechtswidrig qualifiziert, soweit sie nicht eine Entschädigung mit sich gebracht hätten, welche adäquat und effektiv seien. Von Völkerrechtswidrigkeit ist nicht die Rede, vielmehr ganz allgemein davon, es sei im Interesse des kubanischen Volkes, dass die Eigentumsrechte von Kubanern und Ausländern geschützt würden.
Der „Helms-Burton-Act“ stieß in der internationalen Gemeinschaft auf Unverständnis und Protest. Die Europäische Union verurteilte „Helms-Burton“ als völkerrechtswidrig und klagte vor dem Dispute Settlement Body der WTO gegen die USA. In dem Panelverfahren der WTO wurde geltend gemacht, dass der „Helms-Burton-Act“ gegen Artikel I, III, V, XI, XIII GAT und Artikel I, II, III, VI, IVI, IVII des GATS verstößt. Auf Grund des Verfahrens suspendierte Präsident Clinton die streitigen Vorschriften des Titels III, was zu einer Aussetzung und endgültigen Einstellung des DSB-Verfahrens nach Art. 12 XII DSU führte.
Nach Ansicht des Juridical Committee der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS( verstößt der „Helms-Burton-Act“ gegen allgemeines Völkerrecht. Gennant werden unter anderem die völkergewohnheitsrechtlichen Grundsätze zum diplomatischen Schutz, die Staatenverantwortlichkeit und der fremdenrechtliche Mindeststandard bezüglich des Schutzes der Eigentumsrechte von Staatsangehörigen. Die Rechtmäßigkeit des „Helms-Burton-Act“ ist folglich im Hinblick auf allgemeines Völkerrecht als auch auf Welthandelsrecht zweifelhaft.
Cuban Democracy Act (1992) |
Anfangs wurden die USA noch von vielen westliche Staaten unterstützt, doch dies änderte sich im Laufe der 1990er-Jahre. 1996 verabschiedete der US-Kongress den „Helms-Burton-Act“. Das Gesetz ermöglicht es den USA immense Schadensersatzforderungen an ausländisches Firmen zu stellen, die mit ehemals enteigneten US-amerikanischen Firmen auf Kuba handeln. Es enthält unter anderem auch die umstrittenen Titel III und IV, durch die das amerikanische Embargo und Investitionsverbot indirekt auf Drittstaaten ausgedehnt wird. Erreicht wird dies vor allem durch eine zivilrechtliche Schadenersatzpflicht der ausländischen Investoren, die im weitesten Sinne Nutzen aus enteigneten amerikanischen Gütern ziehen. Das Gesetz spricht von „Trafficking“, das sehr weit definiert ist und sogar jeden Nutzen aus und jedes Engagement in enteigneten Gütern betrifft. Dies kommt einem Investitionsverbot in enteignete Güter gleich.
Helms-Burton-Act (1995) Titel III |
Allerdings wird ganz offen gesagt, das die im verhängten Embargomaßnahmen „Helms-Burton-Act“ letztlich einem höheren Ziel dienen, nämlich: „to bring democratic institutions to Cuba through the pressure of a general economic embargo at a time when the Castro regime has proven to be vulnerable to international economic pressure.“ (Sec. 301 6 (A)). Es wird auch genau festgelegt in welchen Schritten die Sanktionen wieder aufgehoben werden - mit Amtsübernahme durch eine Übergangsregierung und dann, wenn endgültig eine demokratische kubanische Regierung installiert ist. Wie solche Regierungen auszusehen haben, damit sie von den USA akzeptiert werden, wird ebenfalls detailliert beschrieben, einschließlich der Forderung nach einem marktorientierten Wirtschaftssystem. Die Enteignungen von US-Bürgern in Kuba nach dem 1. Januar 1959 werden als rechtswidrig qualifiziert, soweit sie nicht eine Entschädigung mit sich gebracht hätten, welche adäquat und effektiv seien. Von Völkerrechtswidrigkeit ist nicht die Rede, vielmehr ganz allgemein davon, es sei im Interesse des kubanischen Volkes, dass die Eigentumsrechte von Kubanern und Ausländern geschützt würden.
Der „Helms-Burton-Act“ stieß in der internationalen Gemeinschaft auf Unverständnis und Protest. Die Europäische Union verurteilte „Helms-Burton“ als völkerrechtswidrig und klagte vor dem Dispute Settlement Body der WTO gegen die USA. In dem Panelverfahren der WTO wurde geltend gemacht, dass der „Helms-Burton-Act“ gegen Artikel I, III, V, XI, XIII GAT und Artikel I, II, III, VI, IVI, IVII des GATS verstößt. Auf Grund des Verfahrens suspendierte Präsident Clinton die streitigen Vorschriften des Titels III, was zu einer Aussetzung und endgültigen Einstellung des DSB-Verfahrens nach Art. 12 XII DSU führte.
Nach Ansicht des Juridical Committee der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS( verstößt der „Helms-Burton-Act“ gegen allgemeines Völkerrecht. Gennant werden unter anderem die völkergewohnheitsrechtlichen Grundsätze zum diplomatischen Schutz, die Staatenverantwortlichkeit und der fremdenrechtliche Mindeststandard bezüglich des Schutzes der Eigentumsrechte von Staatsangehörigen. Die Rechtmäßigkeit des „Helms-Burton-Act“ ist folglich im Hinblick auf allgemeines Völkerrecht als auch auf Welthandelsrecht zweifelhaft.
Die
UN-Generalversammlung fordert seit 1992 jährlich die Aufhebung des
Embargos. Folglich verabschiedete die Generalversammlung bereits 23 Resolutionen, die die
USA ermahnen, die Zwangsmaßnahmen einzustellen. Gegen die letzte Resolution,
die im Oktober 2014 verabschiedet wurde, stimmten nur die USA und Israel.
Die UN-Generalversammlung hat zuletzt im Oktober 2014 im 23. Jahr in Folge eine Resolution verabschiedet, in der ein Ende des Embargos gegen Kuba gefordert wird |
Die Wirtschaft Kubas und das Embargo
Bevor es 1959 zum
Putsch gegen den pro-amerikanischen Diktator Batista und die Machtübernahme
Fidel Castros in Kuba kam, wickelte der Karibikstaat ca. 70% seines
Außenhandels mit den USA ab. Das änderte sich schlagartig, als es 1959 zu
Putsch und Regimewechsel kam - einerseits aufgrund der einsetzenden
Blockbildung des Kalten Krieges, andererseits aufgrund des umfassenden Embargos
gegen Kuba von Seiten der USA. In den folgenden drei Jahrzehnten wurde die
Sowjetunion der wichtigste Handelspartner Kubas. Gegen Zuckerexporte erhielt
der sozialistische Vorposten vor der Küste Floridas Öl zu freundschaftlichen
Dumping-Preisen. Neben der essentiellen Bedeutung als wichtigster Energieträger
verschaffte der weiterverkaufte Überschuss der kubanischen Regierung eine
unerlässliche Devisenquelle.
Mit dem Niedergang der Sowjetunion zu Beginn der 90er Jahre versiegte diese Quelle und Kuba konnte in den unmittelbar folgenden Jahren lediglich 10% der vorherigen Ölimporte realisieren. Eine markante Wirtschaftskrise resultierte und Landwirtschaft, Transportwesen und Industrie brachen zusammen. Die Rezession und die Handelseinbußen führten zudem zu finanziellen Engpässen für den kubanischen Staat.
Mit dem Niedergang der Sowjetunion zu Beginn der 90er Jahre versiegte diese Quelle und Kuba konnte in den unmittelbar folgenden Jahren lediglich 10% der vorherigen Ölimporte realisieren. Eine markante Wirtschaftskrise resultierte und Landwirtschaft, Transportwesen und Industrie brachen zusammen. Die Rezession und die Handelseinbußen führten zudem zu finanziellen Engpässen für den kubanischen Staat.
Um den Glauben der Bevölkerung an das politische System zu wahren, versuchte die kubanische Regierung Massenentlassungen zu verhindern. Das gelang nur durch massive Subventionierung der unrentablen Staatsunternehmen. Die finanziellen Mittel dazu konnten vor dem Hintergrund der Krise nur durch ein markantes Staatsdefizit und expansive Geldpolitik bereitgestellt werden. Bei planwirtschaftlich fixierten Preisen führte das zur Ausweitung der Schattenwirtschaft und damit einhergehend zu starker Inflation.
Die
Wirtschaftskrise bei internationaler Isolation und Ineffizienz der staatlichen
Unternehmen führte letztendlich zu einschneidenden Versorgungsengpässen. Der
Druck auf die kubanische Regierung wuchs stetig, sodass diese Ende 1993
einlenkte und wirtschaftliche Reformen beschloss: Im Agrarsektor wurden ca. 70%
der genutzten Flächen in Privatbesitz überführt, es wurden Agrarmärkte nach
marktwirtschaftlichen Prinzipien eingerichtet, der US-Dollar als harte Währung
erlaubt und freiberufliche Tätigkeit in kleinem Maßstab gestattet.
Unmittelbar nach diesen Liberalisierungen fand die massive Rezession, in der die kubanische Wirtschaft steckte, ein abruptes Ende. Gleichzeitig stieg die Totale Faktorproduktivität sprunghaft an. Das lässt sich, bei ausbleibendem technologischem Fortschritt, vermutlich auf eine effizientere Allokation des Faktors Arbeit zurückführen - und zeigt hinsichtlich dessen die Grenzen der staatlich organisierten Planwirtschaft auf.
Unmittelbar nach diesen Liberalisierungen fand die massive Rezession, in der die kubanische Wirtschaft steckte, ein abruptes Ende. Gleichzeitig stieg die Totale Faktorproduktivität sprunghaft an. Das lässt sich, bei ausbleibendem technologischem Fortschritt, vermutlich auf eine effizientere Allokation des Faktors Arbeit zurückführen - und zeigt hinsichtlich dessen die Grenzen der staatlich organisierten Planwirtschaft auf.
Der Erfolg der
überschaubaren Reformen scheint die kubanische Regierung nachhaltig beeinflusst
zu haben, denn die begonnene Liberalisierung schreitet seitdem kontinuierlich
fort. So wurden Staatsunternehmen marktwirtschaftlichen Leistungsprinzipien
unterworfen, private Gesellschaften als Wirtschaftsform zunehmend legalisiert,
der internationale Handel kontinuierlich ausgeweitet und diversifiziert,
ausländische Direktinvestitionen in die kubanische Wirtschaft möglich gemacht
und nicht zuletzt der Tourismus als wichtige Devisenquelle erschlossen.
Der Kapitalismus
hält also Einzug in Kuba. Die Wirtschaft wächst, eine relativ zahlungskräftige
Mittelschicht entsteht und so wächst das Verlangen nach liberaleren Import- und
Exportbedingungen.
Vor diesem
Hintergrund der grundlegenden Transformation des kubanischen Wirtschaftssystems
sind die Annäherungen an den potentiell wichtigen Handelspartner USA, die
derzeit verzeichnet werden können, zu verstehen.
Die Annäherung zwischen den USA und Kuba
Nach über fünfzig Jahren wurden die beiden oben
genannten Ziele nicht erreicht und die beiden Staaten bemühen sich um eine gegenseitige
Annäherung. Diese ist möglich geworden durch geheime Gespräche, einen
prominenten Gefangenenaustausch und die Streichung Kubas von der „state sponsors of terrorism“-Liste durch
US-Präsident Obama. Diese ersten Annäherungen bedeuten jedoch nicht die
Aufhebung des Embargos da dieses nur vom Kongress abgesegnet werden könnte.
Dieser ist jedoch republikanisch dominiert, sodass Obamas Spielraum
eingeschränkt ist.
Dennoch stellt sich die Frage, weshalb es gerade jetzt zu einem außenpolitischen
Wandel in den Beziehungen zwischen den USA und Kuba kommt. Folgenden drei Faktoren lassen sich
als Erklärung für den Wandel in der Außenpolitik heranziehen:
- Veränderte Rahmenbedingungen im Internationalen System
- Veränderung der Präferenzen inländischer Akteure und
- Veränderung der politischen Kultur und erfolgreiche Lernprozesse
Die Rahmenbedingungen haben
sich seit den 1960er Jahren stark verändert: von einer bipolaren Weltordnung
hin zu einer multipolaren Welt mit vielen regionalen Machtzentren. Kuba konnte
durch die Blockade lange Zeit auch politische komplett ausgeschlossen werden.
In jüngerer Zeit spielt Kuba jedoch eine zunehmend wichtige Rolle in der Außenpolitik lateinamerikanischer Staate (z.B. Brasilien und Venezuela) und hat sehr gute Handelsbeziehungen zu China. Für diese Staaten war die Blockade lange ein Punkt, welche die Beziehungen zu den USA belastet haben. Deshalb könnte die Lokerung des Embargos auch als ein Versuch gewertet werden, die Beziehungen und den Einfluss der USA in diese Staaten zu verbessern.
Es gibt zwei besonders
starke amerikanische Interessensgruppen welche den Diskurs über die Kubapolitik maßgeblich
geprägt haben: Unternehmen aus verschiedenen Branchen (Agrarindustrie, Banken
und Pharmaindustrie) erhoffen sich den Zugang zu neuen Märkten. Eine sehr
starke Interessenvertretung hatte bisher auch die Anti-Castro eingestellten
Exilkubaner, welche eine frühere Annäherung verhinderten.
Unter George W. Bushs Präsidentschaft wurde das Embargo verschärft und Kuba als "outpost of tyranny" bezeichnet und zusammen mit Iran, Syrien und Libyen bildete Kuba die "axis of evil". Dies steht im starken Kontrast zu aktuellen Äußerungen über die Kuba-Politik der Vereinigten Staaten Es scheint sich ein Konsens abzubilden, dass das Embargo gegen Kuba seinen Ziele nicht erreicht hat. Diese Ansicht wird zum Teil auch über Parteigrenzen hinweg vertreten wie anhand der beinden Zitate deutlich wird:
"We must recognize the ineffectiveness of our current policy and deal with the Cuba Regime in a way that enhances US interests."
Republikanischer Senator Lugar
“We know from
hard-learned experience that it is better to encourage and support reform than
to impose policies that will render a country a failed state.”
US-Präsident Obama
Gesetzgeberische Hürden bei der Aufhebung des Embargos
Das Embargo wurde
seit 2009 leicht gelockert. Kubanoamerikaner dürfen nun wieder jährlich ihre
Angehörigen auf der Insel besuchen und Geld in unbegrenzter Höhe an ihre in
Kuba lebenden Familienangehörigen schicken. Am 16. Januar 2015 setzte Präsident
Obama einige Embargo-Erleichterungen in Kraft, bei denen keine Zustimmung des
Kongresses notwendig war. Diese erleichtern es vor allem US-Banken
Korrespondenzgesellschaften auf Kuba zu errichten. Seit Mitte Februar dürfen auch
kubanische Privatfirmen bestimmte Produkte in die USA exportieren.
Im Moment gibt es
noch sechs verschiedene Gesetze, die die wirtschaftlichen Zwangsmaßnahmen gegen
Kuba festlegen. Der Großteil dieser Gesetze gibt der Exekutive einen großen
Gestaltungsspielraum bei der Umsetzung. Dadurch hat Präsident Obama die
Möglichkeit bei manchen Gesetzen die Umsetzung und Ausführung einzustellen,
ohne dass das Gesetz offiziell vom Kongress aufgehoben werden muss. Dennoch
kann Präsident Obama selbständig keine Gesetze annullieren. Dieses Privileg
steht nach der US-Verfassung alleine dem Kongress zu. Der „Helms-Burton-Act“
hat weiterhin dafür gesorgt, dass der US-Kongress für einen Großteil der Sanktionsmechanismen
verantwortlich ist und auch an deren aktiven Umsetzung beteiligt ist. Der
Präsident muss demnach seinen Finanzminister und Generalanwalt beauftragen, die
„Cuban Assets Regulations“ in Sinne des „Helms-Burton-Act“ auszuführen. Um die
Regulierungen zu stoppen, die den größten Teil der Sanktionen darstellen,
müsste der US-Kongress ein Aufhebungsgesetz verabschieden, dass beide Kammern
mit einer Mehrheit beschließen und so den „Helms-Burton-Act“ annullieren würde.
Diese Option ist im republikanisch dominierten Repräsentantenhaus und Senat
jedoch unwahrscheinlich.
Obama hat
theoretisch noch andere Möglichkeiten. Diese Alternativoptionen basieren auf der
Annahme dass die „Cuban Assets Regulations“ juristisch ungültig sind, da sie
auf der Grundlage der Feststellung, dass Kuba als offizieller Feind der USA
eingestuft ist, i.S.d. „Trading with the Enemy Act“ von 1917. Als Feind wird dabei explizit ein Staat
definiert, dem der US-Kongress offiziell den Krieg erklärt hat. Der US- Kongress
hat jedoch Kuba nie den Krieg erklärt; tatsächlich hat dieser seit 1941 keinem
Staat mehr den Krieg erklärt. Demzufolge
gibt es keine rechtliche Befugnis „Trading with the Enemy Act“ auf Kuba
anzuwenden, da Kuba kein offizieller Feind der USA ist. Im Umkehrschluss gelten
demnach die „Cuban Assets Regulations“ auch nicht, da sie sich auf Gesetz
von 1917 stützen. Der Präsident darf
zwar selbständig keine Gesetze aufheben aber er ist dazu verpflichtet, rechtlich ungültige Regulierungen
aufheben. Dieser rechtliche Umweg würde zur Außerkraftsetzung der Mehrheit der
Sanktionen führen. Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass die Obama-Administration diesen Weg wählen wird, da sie dadurch viel Einfluss auf Seiten der kubanischen Lobby verlieren würde. Es gäbe damit also noch Reste des
Embargos, die weiterhin ihre Wirkung beibehalten würden, jedoch nur unter
Verletzung völkerrechtlicher Normen.
rechtlicher Teil
Zukunftsszenarien - Quo vadis, Kuba?
Sollten die noch bestehenden politischen und rechtlichen
Hürden genommen werden, bleibt zu fragen, wie sich eine voranschreitende
Lockerung des Embargos auf den Handel zwischen Kuba und den USA auswirken
würde.
Die beiden Volkswirtschaften haben ihre Stärken in durchaus
unterschiedlichen Bereichen. So ist Kuba z.B. Exporteur von Zucker,
Zitrusfrüchten und Tabak aber auch Nickel (über 30% des Weltvorkommens) und
potentiell Öl können zu wichtigen Exportgütern avancieren. Die USA hingegen
könnten Agrarprodukte wie Mais, Weizen, Reis, Geflügel und Milchprodukte nach
Kuba exportieren. Diese Komplementarität lässt darauf schließen, dass
gegebenenfalls - in Anlehnung an das Ricardianische Handelsmodell - komparative
Vorteile realisiert werden könnten und somit Effizienzgewinne und
Wohlfahrtsgewinne auf beiden Seiten möglich wären. Fraglich ist dabei,
inwieweit die noch relativ ineffiziente kubanische Planwirtschaft in einem
Konkurrenzszenario zur effizienten US-amerikanischen Marktwirtschaft bestehen
könnte.
Sollte es tatsächlich zu einer Öffnung kommen, so ist mit
umfangreichem Handel zwischen den beiden Ländern zu rechnen. Kuba wickelte,
ähnlich wie andere Karibikstaaten heute, vor dem Zerwürfnis mit den USA ca. 70%
seines Außenhandels mit dem großen Nachbarn ab.
In einfacher Annäherung kann mittels des ökonomischen Gravitationsmodells, stellvertretend für den gesamten Handel, das Ausmaß der US-amerikanischen Exporte nach Kuba - bei Aufhebung der Handelsbarrieren - bestimmt werden.
Das Ergebnis grafisch dargestellt veranschaulicht deutlich, besonders im Vergleich mit anderen Karibikstaaten, das Potential für etwaige liberale Handelsbeziehungen.
In einfacher Annäherung kann mittels des ökonomischen Gravitationsmodells, stellvertretend für den gesamten Handel, das Ausmaß der US-amerikanischen Exporte nach Kuba - bei Aufhebung der Handelsbarrieren - bestimmt werden.
siehe Krugmann/Obstfeld 2010: S. 41 |
Sollte frotschreitende Liberalisierung zu einer derartigen Ausweitung des bilateralen Handels führen, sehen Prognosen als Folge dessen einen Konjunkturaufschwung
in der kubanischen Volkswirtschaft. Vergleichbar mit den asiatischen
„Tigerstaaten“, die einen ähnlichen Wandel erfahren haben, scheinen jährliche
Wachstumsraten um 10% im Bereich des Möglichen zu liegen.
Vor diesem Hintergrund der Liberalisierung und Öffnung bahnt
sich ein grundlegender Wandel im kubanischen Staat an. Wie genau sich dieser
vollziehen wird ist derzeit schwer abzuschätzen. Verschiedene Varianten sind
denkbar: Wird das politische System - ähnlich wie zum Beispiel in China -
fortbestehen während die Wirtschaft zunehmend marktwirtschaftlichen Prinzipien
unterworfen wird? Oder kommt es gar zu einem Abdanken der „alten Garde“ um Raul
Castro, zur Reform der politischen Ordnung und letztendlich zur Demokratisierung?
Betrachtet man letzteres als eines der ursprünglichen Ziele
des US-amerikanischen Embargos, so ist die Situation beinahe paradox: Nach
über 50 Jahren Sanktionspolitik scheint nun gerade die Aufgabe derselben die angestrebten Veränderungen zu bewirken.
Nachweise
rechtlicher Teil
- Bertele, Joachim, Souveränität und Verfahrensrecht: eine Untersuchung der aus dem Völkerrecht ableitbaren Grenzen staatlicher extraterritorialer Jurisdiktion im Verfahrensrecht, Tübingen (1998).
- Ebner, Timm, Streitbeilegung im Welthandelsrecht: Massnahmen zur Vermeidung von Jurisdiktionskonflikten, Tübingen (2005).
- Farer, T. J, Political and Economic Coercion in Contemporary International Law, AJIL, (1985), 79, 405.
- Kausch, H.G / Langenfeld, C., Embargo, in: Bernhardt, R., Encyclopedia of Public International Law, Vol. 2 (1995), 58 - 67.
- Kewenig, W., Die Anwendung wirtschaftlicher Zwangsmaßnahmen im Völkerrecht, BDGVR 22 (1982), 7 ff.
- Köchler, H., Ethische Aspekte der Sanktionen im Völkerrecht: die Praxis der Sanktionspolitik und die Menschenrechte, Studies in international Relations, Band 20, International Progress Organization (1994).
- Lindemeyer, B., Schiffsembargo und Handelsembargo, völkerrechtliche Praxis und Zulässigkeit, (1975).
- Petersmann, E.U., Internationale Wirtschaftssanktionen als Problem des Völkerrechts und des Europarechts , Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaft 80 (1981), 1-28.
wirtschaftlicher Teil
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- Hermann, Boris, 2015: Annäherung USA - Kuba: Der Charme des Dollars, in: Sueddeutsche Zeitung, abrufbar unter: http://www.sueddeutsche.de/politik/annaeherung-usa-kuba-der-charme-des-dollars-1.2431261, letzter Zugriff am 10.5.2015.
- Hernández-Catá, Ernesto, 2001: The Fall and Recovery of the Cuban Economy in the 1990s: Mirage or Reality?, in: IMF Working Paper 01/48.
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- Krugman, Paul R./Obstfeld, Maurice, 2010: Internationale Wirtschaft / Theorie und Politik der Außenwirtschaft 8., aktualisierte Aufl., [Nachdr.]., Pearson Studium.
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- Fisher, Max, 2015: 9 questions about Cuba you were too embarrassed to ask, abrufbar unter: http://www.vox.com/2014/12/18/7408819/cuba-deal-us-embargo, letzer Zugriff am 10.05.2015.
- Piccone, Ted, 2015:A new Americas: Taking Cuba off the U.S. terrorism list, abrufbar unter: http://www.brookings.edu/blogs/order-from-chaos/posts/2015/04/14-cuba-us-terrorism-list-piccone, letzer Zugriff am 10.05.2015.
- Renwick, Danielle, 2015: U.S.-Cuba Relations, abrufbar unter: http://www.cfr.org/cuba/us-cuba-relations/p11113, letzer Zugriff am 10.05.2015.
Bildnachweise
- Datenmaterial für die Grafiken zur wirtschaftlichen Situation entnommen aus: Hernández-Catá, Ernesto, 2001: The Fall and Recovery of the Cuban Economy in the 1990s: Mirage or Reality?, in: IMF Working Paper 01/48.
- Verwendete Gesetzestexte als Grundlage für die rechtlichen Abbildungen: http://legcounsel.house.gov/Comps/Foreign%20Assistance%20Act%20Of%201961.pdf, http://www.treasury.gov/resource-center/sanctions/Documents/twea.pdf, http://www.treasury.gov/resource-center/sanctions/Documents/cda.pdf, http://www.treasury.gov/resource-center/sanctions/Documents/libertad.pdf
- http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/0/05/UN_General_Assembly_hall.jpg
- http://www.ambitmag.com/wp-content/uploads/2014/11/20141108_gdm333_10.png
- http://images.zeit.de/politik/ausland/2015-04/obama-castro/obama-castro-540x304.jpg
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